Articles | Volume 1
https://doi.org/10.5194/sand-1-225-2021
https://doi.org/10.5194/sand-1-225-2021
Conference Abstract
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10 Nov 2021
Conference Abstract |  | 10 Nov 2021

Participation of the foreign public in the site selection procedure: prerequisites and the question of informal participation

Silvia Schütte and Johannes Franke
Abstract

Public participation in the German site selection procedure is not only novel compared to previous sectoral legal regulations, but also significantly more complex. In addition to the usual participation in commenting procedures and discussion meetings (Section 7 of the German Repository Site Selection Act, Standortauswahlgesetz, StandAG), there are new formats for formal participation, such as regional conferences (Section 10 para. 2 sentence 2 StandAG). Informal participation (see Section 5 (3) StandAG) is also planned. In view of the numerous countries neighbouring Germany, the article concentrates on the question of the extent to which the non-German public is also to be involved in this process. The legal regulations are open to interpretation, and their requirements with regard to the non-German public are also largely unresolved in the literature. However, clarification is needed since these are mandatory formats and the German Federal Office for the Safety of Nuclear Waste Management (Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, BASE) is responsible for ensuring compliance with these formats; moreover, complaints can be filed for non-compliance with the mandatory requirements.

With regard to participation in commenting procedures and discussion meetings, the relationship between Section 7 StandAG and the requirements for cross-border participation in Sections 54 ff., 61 f. UVPG need to be clarified. This is due to the fact that Section 7 StandAG makes no provision for any restriction on the “public” to be involved, whereas under the German Environmental Impacts Assessment Act (Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG), participation is in part made dependent on “being affected”. The solution here is to seek that all people (in the world) are allowed in principle to participate. However, the facilitations specifically provided for only in the UVPG (e.g. translations) can be limited to certain states (or languages).

For the regional conferences, provision is explicitly made in Section 10 para. 2 sentence 2 StandAG for the participation of the non-German public (“shall be given equal consideration”): If the siting region is in a border area, non-German citizens are to participate in the plenary meeting and are given equal consideration to those of the German regional authorities (bordering the siting region). However, the regional section, the concrete administrative entity, is not defined. Here, according to the researchers, the criterion of equivalence can be taken into account by selecting a geographical section that corresponds in its maximum extent to the largest German territorial community that borders on the siting region. The law also does not specify any further prerequisites for the appointment of the deputizing body and its important tasks. Here again, the requirement of “equal consideration” can be taken into account. The procedural rules must at least allow for the eligibility of non-German citizens for election (if necessary by means of proportional representation).

Also of great relevance is the inclusion of non-German citizens in informal forms of participation. Complementary forms of participation are planned in order to further develop “the procedure of public participation”. The principles of public participation do not differentiate between the German and non-German citizens to be involved. Moreover, if the legislature establishes the obligation to involve the non-German public in the case of siting regions in a border area, this must, according to the researchers, also apply to the complementary, informal forms: the principle of equivalence produces a “ripple effect” here. Otherwise, a “gap” in information and participation could arise in a siting region in a border area: “complementarily” integrated citizens, political decision-makers and environmental associations on the German side, as well as their non-German counterparts on the other side, that do not have the same degree of information and integration.

The contents of the presentation were developed as part of the research project “Herausforderungen und Erfolgsfaktoren bei grenzüberschreitender Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren – HErüber” (challenges and success factors in cross-border public participation in the site selection procedure) on behalf of the BASE.

Kurzfassung

Die Öffentlichkeitsbeteiligung im deutschen Standortauswahlverfahren ist gegenüber bisherigen fachgesetzlichen Regelungen nicht nur neuartig, sondern deutlich komplexer. Neben die bekannte Beteiligung in Stellungnahmeverfahren und Erörterungsterminen (§ 7 Standortauswahlgesetz, StandAG) treten neue formelle Beteiligungsformate wie die Regionalkonferenzen (§ 10 Abs. 2 S. 2 StandAG). Auch eine informelle Beteiligung (vgl. § 5 Abs. 3 StandAG) ist vorgesehen. Mit Blick auf die zahlreichen Nachbarstaaten Deutschlands konzentriert sich der Beitrag auf die Frage, in welchem Umfang dabei auch die ausländische Öffentlichkeit zu beteiligen ist. Die gesetzlichen Regelungen sind auslegungsbedürftig, und ihre Vorgaben im Hinblick auf die ausländische Öffentlichkeit sind auch in der Literatur weitgehend ungeklärt. Eine Klärung ist aber notwendig, da es sich um verbindliche Formate handelt, für deren Einhaltung das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zuständig ist und eine Nichteinhaltung der zwingenden Voraussetzungen beklagt werden kann.

Bei der Beteiligung in Stellungnahmeverfahren und Erörterungsterminen ist das Verhältnis von § 7 StandAG zu den Vorgaben für die grenzüberschreitende Beteiligung in §§ 54 ff., 61 f. UVPG zu klären. Denn § 7 StandAG sieht keinerlei Einschränkung der zu beteiligenden „Öffentlichkeit“ vor, während die Beteiligung nach dem UVPG teils von einer „Betroffenheit“ abhängig gemacht wird. Die Lösung ist hier darin zu suchen, dass sich zwar alle Menschen (auf der Welt) grundsätzlich beteiligen dürfen. Allerdings können die nur im UVPG spezifisch geregelten Erleichterungen (z. B. Übersetzungen) auf bestimmte Staaten (bzw. Sprachen) beschränkt werden.

Für die Regionalkonferenzen ist die Beteiligung der ausländischen Öffentlichkeit explizit in § 10 Abs. 2 S. 2 StandAG („sind gleichwertig zu berücksichtigen“) vorgesehen: Bei Grenzbezug der Standortregion sind die ausländischen Bürger*innen in der Vollversammlung zu beteiligen und werden denjenigen der inländischen (an die Standortregion) angrenzenden Gebietskörperschaften gleichgesetzt. Der regionale Zuschnitt, die konkrete Verwaltungseinheit, ist aber nicht definiert. Hier kann, so die Forschenden, dem Kriterium der Gleichwertigkeit Rechnung getragen werden, indem ein geografischer Ausschnitt gewählt wird, der in seiner maximalen Ausdehnung der größten deutschen Gebietskörperschaft entspricht, die an die Standortregion angrenzt. Für die Besetzung des Vertretungskreises mit seinen wichtigen Aufgaben lässt sich dem Gesetz ebenfalls keine weitere Voraussetzung entnehmen. Die Vorgabe der „gleichwertigen Berücksichtigung“ kann auch hier Niederschlag finden. Die Geschäftsordnung muss zumindest eine Wählbarkeit der ausländischen Bürger*innen ermöglichen (ggf. über eine Proporzregelung).

Weiter sehr relevant ist die Einbeziehung der ausländischen Bürger*innen in informelle Formen der Beteiligung. Ergänzende Beteiligungsformen sind angedacht, „das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit“ fortzuentwickeln. Die Grundsätze der Öffentlichkeitsbeteiligung differenzieren nicht zwischen den inländischen und den ausländischen zu Beteiligenden. Und wenn der Gesetzgeber bei Standortregionen mit Grenzbezug die Verpflichtung zur Einbeziehung der ausländischen Öffentlichkeit etabliert, muss dies, so die Forschenden, auch für die ergänzenden, informellen Formen gelten: Der Gleichwertigkeitsgrundsatz entfaltet hier eine „Ausstrahlungswirkung“. Anderenfalls könnte bei einer Standortregion mit Grenzbezug ein informatorischer und partizipativer „gap“ entstehen – „ergänzend“ eingebundene Bürger*innen oder politische Entscheidungsträger oder Umweltvereinigungen auf der deutschen Seite und auf der anderen Seite ausländische, die nicht über das gleiche Maß an Aufklärung und Eingebundenheit verfügen.

Die Inhalte des Vortrags sind im Rahmen des Forschungsvorhabens „Herausforderungen und Erfolgsfaktoren bei grenzüberschreitender Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren – HErüber“ im Auftrag des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) entstanden.